Lambdanahtsynostose

Da unser Sohn eine seltene, nicht genetische Fehlbildung hatte, möchte ich diese Seite nutzen um darüber zu berichten und betroffenen Eltern/Großeltern und Ratsuchenden Mut zu machen.


Florians Geschichte:

Nach einer traumhaften Schwangerschaft wurde im
September 2000 ganz schnell und komplikationslos
unser Florian geboren.
Ein gesundes Kind - welch' ein Segen.

Die ersten wundervollen Wochen vergingen, er war bis dahin ein recht pflegeleichtes und sehr fröhliches Baby, nichts Auffälliges.
Wenn da nicht das Hinterköpfchen immer "platter" geworden wäre.
Anfangs dachten wir noch es käme durch seine starre Schlafhaltung auf dem Rücken - von der wir ihn auch nicht abbrachten.
Aber sein Köpfchen veränderte sich immer mehr, es lies uns keine Ruhe und wir baten unseren Kinderarzt um "Hilfe".


3 Monate


Dieser war zwar auch der Meinung er wäre plattgelegen, aber um eine Fehlbildung auszuschließen überwies er uns sicherheitshalber ins Institut für craniofaciale Fehlbildung der Charité Berlin.

Im Alter von 4 Monaten hatte Florian dort seinen ersten Termin.
Zu diesem Zeitpunkt waren die Experten sich noch nicht 100%  sicher, ob es sich um einen vorzeitigen Nahtverschluß (Lambdanahtsynostose) handele oder nicht.
Wir einigten uns auf einen Beobachtungszeitraum von weiteren 4 Monaten. In dieser Zeit wurde Florian wesentlich mobiler und in uns keimte die Hoffnung, dass sich nun auch sein Kopfform ändern würde.

Aber leider passierte das nicht.

Als wir im Mai '01 dann zur erneuten Kontrolle kamen, wurde aus der bis dahin vermuteten Diagnose leider Gewissheit: Florian hat eine  Lambdanahtsynostose (der Überbegriff lautet Craniosynostose - und der Laie würde sagen vorzeitige Verknöcherung der hinteren Schädelnaht/Fontanelle).
Da Florian bis zu diesem Zeitpunkt keine neurologischen Ausfälle hatte und man davon ausging, dass es auch zu keinen kommen würde, war uns die OP freigestellt.

Da standen wir nun mit einer Diagnose und einer möglichen Vorgehensweise, aber keinerlei Unterstützung seitens der Ärzte.
Auch weitere Betroffene konnte man nicht ausfindig machen, da diese Art von Fehlbildung sehr, sehr selten war.
Im Internet fand man 2001 keinerlei Informationen im deutschsprachigen Raum.
So standen wir nun da und sollten innerhalb von 14 Tage eine Entscheidung fällen.
Denn wenn wir uns für eine OP entscheiden würden, so musste diese vor dem 1. Geburtstag durchgeführt werden, da zu diesem Zeitpunkt die Knochenstruktur noch nicht so fest ist und der Heilungsprozess als schnell und mögliche Komplikationen gering eingestuft wurden.
Da unser Florian aber bereits 8 Monate alt war drängte die Zeit.

Die Zeit der Entscheidungsfindung war für mich eine der furchtbarsten Momente, ich hatte stets das Gefühl egal wie wir uns entscheiden, wir machen es falsch.

Wir haben eine Entscheidung getroffen - für uns - aber hauptsächlich und in erster Linie für Florian:


WIR LASSEN OPERIEREN!!!


9,5 Monate - 1 Tag vor der OP im Klinikbettchen


Schweren Herzens und unter vielen Tränen gaben wir ihn am 17. Juli 2001 für endlos lange 8 Stunden in den OP.
Die OP verlief gut, Florian verlor zwar sehr viel Blut und musste mit Bluttransfusionen wieder "hochgepäppelt" werden, aber es ging ihm den Umständen entsprechend gut.
Bei dieser OP wurde Florian von der verschlossenen Schädelnaht ein Stück entfernt um sie wieder zu öffnen.
Damit das ganze einen gewissen Halt hatte, verwendete man sich selbstauflösende Platten.
So das es mit einer OP getan ist.

Es schien so, als ob das Baby im OP geblieben wäre und wir ein reiferes Kind bekommen hätten.
Diese OP hat doch seine Babyzeit stark verkürzt - jedenfalls empfanden wir es so.

Nach 8 Tagen Krankenhausaufenthalt durften wir mit Florian gemeinsam nach Hause.
Wir waren so glücklich.
Die ersten Tage mit ihm zu Hause waren zwar anstrengend, aber einfach auch nur schön ihn wieder bei uns zu haben.
Doch er wurde von Tag zu Tag anstrengender und weinte täglich und auch die Nächte gestalteten sich immer schwieriger.
Bis wir an einem Punkt angelangt waren, dass er gar nicht mehr schlafen wollte und nur noch weinte.
Wir nahmen Kontakt mit Florians Neurochirurgen auf.
Sie untersuchten ihn und stellten fest, dass die selbstauflösenden Platten den Druck nicht standgehalten haben und vermutlich alle samt zerbrochen waren.
Florian war halt schon sehr mobil, eigentlich zu mobil.

Dieses bedeutete nun für Florian erneut OP.
Und somit wurde Florian am 31. Juli 2001 erneut 5 Stunden operiert.
Man entnahm die zerbrochenen Platten und tauschte diese nun mehr gegen Titanplatten aus.
Auch diese OP verlief gut.

Mein Baby auf der Intensivstation auf Papas Arm - 3 Tage nach der 2. OP

Rückblickend gesehen war es zwar eine wahnsinnig (vorallem nervlich) anstrengende und angespannte Zeit, aber mit einem Blick auf die Vergleichsfotos (links im Alter von 4 Monaten ohne OP / rechts im Alter von 10 Monaten nach 2 OPs) finden wir, hat sich unsere Entscheidung gelohnt.





Florian wurde im November 2001 dann ein drittes Mal operiert um die Titanplatten endgültig zu entfernen.
Auch diese OP verlief gut, obgleich sie sich schwieriger als vermutet gestaltete, da Florian über eine sehr feste Knochenstruktur verfügt.
Für Florian war dieser dritte Krankenhausaufenthalt sehr schmerzhaft und das nicht nur körperlich, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er eine Traumatisierung durch diese Eingriffe und Krankenhausaufenthalte und somit frühzeitige Trennung von uns Eltern, erfahren hat.

Und wenn ich jetzt nach 10 Jahren ein Resümee ziehen darf, so war diese Zeit eine der schwersten in unserem Leben und mir zerreist es immer noch das Herz, wenn ich daran denke was Florian hat durchmachen müssen, aber ich denke unsere Entscheidung für die OPs war absolut richtig. Denn heute erinnert, bis auf die Narbe, die aber dank üppigen Haarwuchses nicht sichtbar ist, nichts mehr daran. Florians Kopfform ist inzwischen von der eines Kindes ohne Craniosynostose nicht mehr zu unterscheiden.

Und an dieser Stelle geht unser ganz großer Dank an

Prof. Dr. H. Haberl und Frau Dr. K. Schwarz

sowie dem Team der Berliner Charité, die unseren Florian operiert und erstklassig betreut und versorgt haben.


 Bei Fragen stehe ich gern per Email zur Verfügung.

 Annette Marquardt

Weihnachten 2016


letzte Aktualisierung: Mai 2017